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Pflanzenschutzmitteleinsatz im Wald

Eine Behandlung von Waldbäumen mit Pflanzenschutzmitteln ist immer das letzte Mittel der Wahl. Diese findet nur bei akuter Bedrohung der Bestände statt, also als ultima ratio, um ein flächiges Absterben vieler Bäume zu verhindern. Die Gefährdung der Bestände ergibt sich aus der mit dem intensiven Monitoring ermittelten Fraßgefährdung durch Blatt- oder nadelfressende Insekten und dem aktuellen Zustand der Bestände. Kiefern regenerieren sich nach einem Kahlfraß, also Nadelverlusten über 90%, im Allgemeinen nicht. Eichen hingegen können einen einmaligen Kahlfraß überstehen. Deshalb wird erst nach mehrmaligem Fraß der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erwogen.

Die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln findet per Hubschrauber statt, wenn in den Baumkronen fressende Insekten erreicht werden müssen.

Mechanische Maßnahmen sind bei Waldbäumen im Fall vom Massenvermehrungen von blatt- und nadelfressenden Insekten nicht möglich, da zu große Bäume, große Flächen und unwegsame Bereiche betroffen sind. An Waldrändern., bei Einzelbäumen entlang von Alleen oder Parkbäumen werden bei der Bekämpfung von Eichenprozessionsspinnerlarven oft mechanische Maßnahmen genutzt. In diesem Fall können Nester häufig abgesaugt werden, im Wald ist dies nicht möglich.

Für biologische, biologisch-technische und chemische Maßnahmen sind in Deutschland aktuell (Stand Februar 2023) 4 Wirkstoffe für den Einsatz gegen blatt- und nadelfressende Insekten für die Ausbringung per Luftfahrtzeug zugelassen. Für biologische Behandlungen sind dies zwei sehr ähnliche Wirkstoffe auf Basis von Bacillus thuringiensis. Das Bakterium kommt natürlich im Boden vor und wirkt selektiv auf bestimmte Insektenordnungen, also z. B. nur auf Schmetterlinge. Mimic (Wirkstoff Tebufenozid) ist ein Mittel für den biologisch-technischen Einsatz, ein Häutungsbeschleuniger. Es wirkt ähnlich selektiv wie die Bakterienpräparate. Die bisher genannten Mittel sind Fraßgifte, Voraussetzung für deren Einsatz ist eine ausreichende Blatt- oder Nadelmasse. Für die chemische Bekämpfung steht das Mittel Karate Forst flüssig (Wirkstoff lambda-Cyhalothrin, ein Pyrethroid) zur Verfügung. Es ist ein unselektives Kontaktgift, kann aber auch bei wenig verbleibender Blatt- und Nadelmasse eingesetzt werden. Als Kontaktgift wird es in der Nahrungskette weniger akkumuliert als ein Fraßgift. Karate Forst flüssig wird in Baumkronen und auch am Waldboden schnell abgebaut. 

Die Wahl des entsprechenden PSM erfolgt nach den Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes. Es findet immer eine fachliche Abwägung aller zur Verfügung stehenden PSM statt. Vorrang hat immer das selektivste zur Verfügung stehende und in Abhängigkeit von Schadinsektenart und Applikationsbedingungen als ausreichend wirksam eingeschätzte Mittel. Im Vergleich zur Landwirtschaft ist die Auswahl bei den Pflanzenschutzmitteln leider im Hinblick auf eine optimale Mittelwahl, abhängig von Befallssituation oder Schutzstatus, nicht ausreichend.

Die Empfehlung des Mittels erfolgt durch die zuständige Fachbehörde. Damit wird sichergestellt, dass nur für die entsprechende Anwendung zugelassene PSM zum Einsatz kommen, bei denen durch die in den Zulassungsprozess von PSM eingebundenen Bundesbehörden (Umweltbundesamt, Bundesinstitut für Risikobewertung, Julius Kühn-Institut) auch eine umfassende ökotoxikologische Bewertung stattgefunden hat. Dadurch wird gewährleistet, dass die Pflanzenschutzmaßnahmen sachgerecht durchgeführt und gleichzeitig Belange des Schutzes des Naturhaushaltes sowie auch des Gesundheitsschutzes der Waldbesucher berücksichtigt werden.

In die Entscheidungen einbezogen werden u. a. die waldbaulichen Möglichkeiten der weiteren Bestandesbehandlung, die Vitalität der Bestände, die Waldfunktionen und natürlich Ausweisungen als FFH-, Naturschutz- oder Wasserschutzgebiet. So kann man zum Beispiel Bestände auslassen, für die zeitnah z. B. Ernte- oder Waldumbaumaßnahmen geplant sind. 

Weiterhin gilt es zahlreiche Anwendungsbestimmungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu beachten. Bei biologischen und biologisch technischen Mitteln darf die gleiche Fläche nicht mehr als 5 mal, Karate Forst flüssig nur 2 mal im Verlauf von 10 Jahren behandelt werden. Nur mit Ausnahmegenehmigung dürfen mehr als 50 % einer zusammenhängenden Waldfläche behandelt werden. Es gibt zahlreiche Auflagen für Sicherheitsabstände zu Gewässern, Schutzgebieten, Siedlungsbereichen oder zu Waldrand. Während der Behandlung mit dem Hubschrauber darf der Wald nicht betreten werden und in Abhängigkeit vom eingesetzten Mittel auch bis zu 2 Tage danach nicht. Weiterhin sollten eine Zeit lang keine Pflanzen oder Beeren aus dem Waldgebieten verzehrt werden. Diese Wartefrist ist in der Regel sehr lang, um alle Möglichkeiten der Nutzung von Waldprodukten abzusichern. Insgesamt ist die ausgebrachte Menge an Pflanzenschutzmittel sehr gering und der Großteil gelangt gar nicht auf den Boden, da die Krone auch als Schirm wirkt.

Ablauf einer aviotechnischen Pflanzenschutzmaßnahme in Deutschland

Der aufwendige und genehmigungspflichtige Prozess einer aviotechnischen Pflanzenschutzmaßnahme im Wald startet in den meisten Fällen mit einer Warnung der forstlichen Versuchsanstalten oder Pflanzenschutzdienste. Diese weist darauf hin, dass sich gewisse Schadorganismen regional in einer beginnenden Massenvermehrung (Progradation) befinden und hier Risiken für den Wald entstehen können. Waldbesitzende sind aufgrund dieser Warnung informiert und können artspezifische Erhebungen in ihren Wäldern durchführen, um die Wahrscheinlichkeit für einen Kahlfraß zu prognostizieren. Häufig führen Forstverwaltungen das Monitoring durch, im Waldgesetz ist dann die Duldung dieser Maßnahmen geregelt. Pflanzenschutzdienste und Forstverwaltungen begleiten Waldbesitzende und Forstbetriebe mit Informationsmaterial und Beratung. 

Da bei der Baumart Eiche in aller Regel der wiederholte Kahlfraß vermieden werden soll, kann hier auch der erstmalig erwartete Kahlfraß als Initialpunkt des Gesamtprozesses für den Pflanzenschutzmitteleinsatz dienen. 

Nachdem mithilfe artspezifischer Methoden eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Kahlfraß im Folgejahr und eventuell schon eingetretene Vitalitätsverluste (wie Fraßschäden im Vorjahr) festgestellt worden sind, kann sich der Waldbesitzer für eine Pflanzenschutzmaßnahme mittels Luftfahrzeug entscheiden und eine Genehmigung beantragen. Grundsätzlich ist es in Deutschland nicht erlaubt, Pflanzenschutzmitteln aus der Luft auszubringen. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen, einer davon ist „im Kronenbereich von Wäldern“, denen nach behördlicher Prüfung stattgegeben werden kann. 

Grundlage für die Entscheidung über diesen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung ist die Darstellung der Gefährdung der betroffenen Waldgebiete durch die Prognose von Kahlfraß und ggf. bereits eingetretene Ausfälle und Vitalitätsverluste. Die zuständige Behörde prüft den Antrag auf Notwendigkeit und mögliche negative Auswirkungen und beteiligt weitere Behörden wie Naturschutz- und Wasserbehörden. 

Nach erfolgter Prüfung entscheidet die zuständige Behörde über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, wenn der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Erhalt der Wälder sinnvoll erscheint und mögliche negative Auswirkungen weitestgehend vermieden werden können. Um diese negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten, dürfen nur zugelassene Pflanzenschutzmittel im Rahmen der geforderten Anwendungsbestimmungen verwendet werden. Darüber hinaus kann die genehmigende Behörde auch weitere Einschränkungen oder Vorgaben treffen, um den örtlichen Gegebenheiten gerecht zu werden. 

Bei der Applikation überwacht die zuständige Behörde die Einhaltung der Anwendungsbestimmungen und kann bspw. bei unzureichenden Witterungsverhältnissen den Einsatz unterbrechen oder untersagen. Der Erfolg der Regulierung ist außerdem durch eine im Rahmen des Integrierten Pflanzenschutzes vorgeschriebene Erfolgskontrolle zu dokumentieren und der zuständigen Behörde vorzulegen.

Weitere Informationen

 BVL (2022): Übersicht der zugelassenen Pflanzenschutzmittel für die Anwendung mit Luftfahrzeugen 

BVL Online Datenbank für zugelassene Pflanzenschutzmittel 

Eichel, P.; Petercord, R. (2017): Medikamentennotstand im Wald, LWF aktuell 1/2017 

Möller, K.; Heinitz, M. (2016): Waldschutz in Brandenburg – das Risikomanagement erfordert Zusammenarbeit von Forst- und Naturschutzbehörden. Natur und Landschaftspflege in Brandenburg 1,2 Seite 30-29

UBA: Pflanzenschutz mit Luftfahrzeugen – Naturschutzfachliche Hinweise für die Genehmigungsprüfung